Villon

Villon
Villon
 
[vi'jɔ̃],
 
 1) François, eigentlich F. de Montcorbier [-mɔ̃kɔr'bje] oder F. des Loges [-lɔʒ], französischer Dichter, * Paris 1431, ab 1463 verschollen; stammte aus kleinsten Verhältnissen, sein richtiger Familienname ist nicht sicher bekannt. Durch Unterstützung des Kaplans Guillaume de Villon, dessen Namen er gegen 1455 annahm, konnte er an der Sorbonne studieren (1452 Magister Artium); erschlug 1455 im Streit einen Priester und musste aus Paris fliehen, führte ein abenteuerliches Wanderleben in der Provinz, war Mitglied einer Diebesbande, saß mehrfach im Gefängnis, 1463 in Paris zum Tode verurteilt, begnadigt, aber verbannt, danach ist seine Spur verloren.
 
Das unter dem Namen Villon überlieferte Werk (die tatsächliche Verfasserschaft ist nicht gesichert) bildet Höhepunkt und Abschluss der mittelalterlichen französischen Lyrik. Villon nutzte die traditionelle Balladenform, um in bis dahin nicht gekannter Intensität persönlichen Empfindungen Ausdruck zu verleihen. In »Le petit testament« (entstanden 1456, vom Autor »Le lais« genannt) verkündet der Dichter sein (parodistisches) Vermächtnis, die 40 Achtzeiler vermitteln ein formal kunstvolles satirisches Zeitgemälde. Als Hauptwerk gilt »Le grand testament« (entstanden 1461; deutsch »Das große Testament«), dessen 2 023 Verse (gegliedert in Strophen aus achtsilbigen Versen, in Balladen und Rondeaus) ohne Illusionen und nur teilweise von Ironie gemildert über Leben und Tod reflektieren. Daneben stehen Gedichte, die 1457 am Hof des Herzogs Charles d'Orléans in Blois anlässlich eines Dichterwettbewerbs entstanden, sowie Balladen, deren bekannteste »La ballade des pendus« (entstanden vielleicht 1463; deutsch u. a. »Das Lied der Gehenkten«) ist. In elf Balladen nutzte er die nur Eingeweihten verständliche Gaunersprache. Die überlieferten Werke wurden erstmals 1489 unter dem Titel »Le grand testament Villon et le petit« gedruckt. Villons Sprachkunst, die zynischen Witz ebenso beherrscht wie tiefe Empfindung, seine außerhalb jeder Tradition stehende Sicht auf die Gesellschaft wurden erst seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in ihrer Bedeutung erkannt: A. Rimbaud, A. Apollinaire und B. Brecht ließen sich von ihm inspirieren. Bedeutende deutsche Nachdichtungen stammen von K. L. Ammer, P. Zech und R. Dehmel, H. C. Artmann übertrug Balladen in Wiener Mundart.
 
Ausgaben: Œuvres, herausgegeben von A. Longnon und L. Foulet (Neuausgabe 1980).
 
Das kleine und das große Testament, herausgegeben von F.-R. Hausmann (1988, deutsch-französisch); Die lasterhaften Balladen und Lieder des F. Villon, Nachdichtung von P. Zech (Neuausgabe 231995); Sämtliche Dichtungen, übersetzt von W. Küchler (51997).
 
 
P. Brockmeier: F. V. (1977);
 G. Pinkernell: F. V.s Lais. Versuch einer Gesamtdeutung (1979);
 G. Pinkernell: F. V. et Charles d'Orléans (Heidelberg 1992);
 W. Pöckl: Formen produktiver Rezeption F. V.'s im dt. Sprachraum (1990);
 R. Sturm: F. V., Bibliogr. u. Materialien 1489-1988, 2 Bde. (1990);
 D. A. Fein: F. V. revisited (New York 1997).
 
 2) Jacques, eigentlich Gaston Duchamp [dy'ʃã], französischer Maler und Grafiker, * Damville (Département Eure) 31. 7. 1875, ✝ Puteaux 9. 6. 1963; war nach anfänglichem Jurastudium als humoristischer Zeichner tätig. Ausgehend vom Kubismus, schloss er sich mit seinen Brüdern M. Duchamp und R. Duchamp-Villon u. a. zur Section d'Or zusammen. Ab etwa 1913 suchte Villon durch geometrisierende Flächenzerlegung und proportionales Spiel der Farben auch Bewegung malerisch auszudrücken. Er näherte sich der reinen Abstraktion, kehrte dann jedoch zu einer stärker gegenstandsbezogenen Malerei zurück (Landschaften, Figuren, Porträts), immer aber reduziert auf geometrisch abgeleitete Grundformen.

Universal-Lexikon. 2012.

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